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In keiner Zeit wurde die freie Entfaltung unseres Selbst, die Bedeutung des Ich als individuelle Zelle der Gesellschaft so pragmatisch praktiziert wie heute.
Konformität ist zu einem modischen faux-pas geworden. Das Streben nach scheinbarer Extravaganz und individueller Abgrenzung zur breiten Masse bestimmt die Selbstinszenierung.
Die wenigen Accessoires die einstmals politische Gesinnungen oder andere Interessen ausdrückten, wurden vom globalen Markt aufgegriffen, neu verpackt und zur inhaltsleeren Massenware umgeformt. Extreme Bewegungen deren Ziel die Befreiung des Individuums von den Zwängen der Gesellschaft sind, werden kurzerhand von der Popkultur entwaffnet/ entwertet und assimiliert.
Die Punkbewegung beispielsweise ist ihrer plakativsten Protestform, ihrer unkonformistischen Erscheinung beraubt worden. Ein bunter Mix aus Designerkleidung, zerfetzten Hosen und Irokesenhaarschnitt ist mittlerweile zum Mainstream geworden.
Diese Entwicklung ist nichts Neues, schon immer werden unkonventionelle Aspekte in das Gesamtbild eingegliedert. Nie allerdings geschah dies so schnell, unkritisch und von einer derart gründlichen Entwertung begleitet. Jeglicher Protest gegen diesen Umstand muss also schon im Keim erstickt werden, da der Markt sich zu schnell und gründlich anpasst.

Die meisten Menschen (und dazu zählen vor allem die, die es sich leisten können) praktizieren eine forcierte Individualisierung ihrer Selbst. Vom Markt begleitet verursachen sie damit eine Nivellierung jeglichen individuellen Ausdrucks.

Einziger Lichtblick in dieser erschreckenden Vorstellung bleibt die ungeheure Kreativität Einzelner, die, früher oder später, ihre eigene Protestform finden werden die nicht ohne weiteres von der Masse angenommen werden kann.
Ich fürchte allerdings diese Formen des Protests, der im krassen Gegensatz zur Konsumgesellschaft stehen muss, werden sich nicht in Haarschnitt und Kleidung äußern, sondern wohl eher in Verzweiflung und Gewalt.

Die Problematik der einen Ethik für die Biowissenschaften liegt in der Struktur der forschenden Gemeinschaft weltweit. Unterschiedlichste Systeme mit verschiedensten Interessen und Prioritäten treiben in einem Wettlauf bisher unbekannten Ausmaßes eine Industrie voran, die möglichst schnell, mit minimalem Aufwand maximale Rendite erwirtschaften soll. Stammzelltherapien, genetische Vorsorgeuntersuchung oder therapeutisches Klonen, grüne und weiße Gentechnologie (bereits jetzt auf unseren Feldern), modernste Analysemethoden zur therapeutischen Diagnostik – die Forschungsfelder sind so mannigfach wie ihre potentiellen Geldgeber.

H. M. Enzensberger berichtet in seinem Essay „Putschisten im Labor“ (SPIEGEL 23/2001) von einer globalisierten und ungeheuer dynamischen wissenschaftlichen „Erkenntnisindustrie“, der die veralteten und sich vielerorts auf nationales Terrain zurückziehende Geisteswissenschaft, namentlich der Philosophie, der Ethik und der Theologie, nichts entgegen zu setzen haben, als Gremien, Ethikräte und allzu oft verschrobene und unhaltbare Extremstandpunkte. Naturwissenschaftler, ihrerseits in ihrem absolutistischen Denkgebäude und (nach eigener Erfahrung) oft geradezu erschütternder Bildungsferne gefangen, sehen sich attackiert. Dürfen fachfremde Kritiker sich anmaßen in den wissenschaftlichen Diskurs einzugreifen? Und wenn, wie sollten solche Maßnahmen überhaupt durchgesetzt werden, in einer global agierenden Wissenschaft in der keine nationalen Gesetze greifen können?

„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ (Grundgesetz Art. 5-3) Gilt dies noch, wenn ein direkter Eingriff in unser aller Leben, in die Grundfesten unserer Identität und materiellen Existenz bevorsteht? Eine Frage wie diese hat keine eigentliche Berechtigung mehr angesichts einer immer schneller voranschreitenden Forschung, die sich daran macht die kühnsten Träume der Meisten zu überflügeln. Sind Verbote, sind Regelungen überhaupt zweckmäßig bei einer solchen globalen Bewegung? Das darf bezweifelt werden!

Wo sind die kritischen Denker, die skeptischen Forscher? Es fehlen Persönlichkeiten mit dem Format und der Autorität, die in ihrem Fach mit Leitlinien für einen gemeinsamen Kurs sorgen könnten, in dem ethische Bedenken der Massen genauso berücksichtigt werden wie humanitäre und wissenschaftliche Interessen.

Ist es einer Gruppe von engagierten Wissenschaftlern überhaupt noch möglich ihre Zunft zur Räson zu bringen?